Stimmen von Eltern: Johanna
Ich habe unseren Sohn in der 26. Schwangerschaftswoche tot zur Welt gebracht. Bis zum letzten Vorsorgetermin verlief die Schwangerschaft völlig komplikationslos. Da es unser erstes Kind war und man mit so einer schrecklichen Situation einfach nicht rechnet, habe ich mich über den verhältnismäßig kleinen Bauch und die weniger werdenden Kindsbewegungen nur ein bisschen gewundert. Als ich dann eines Abends Wehen bekam und im Krankenhaus keine Herztöne gefunden wurden, blieb die Welt für uns stehen. Ich habe noch nie so geweint, wie an diesem Tag. Der Kleine hatte bereits Wassereinlagerung und hatte fast die gleichen Maße wie bei der letzten Vorsorgeuntersuchung. Er war also schon einige Wochen nicht mehr am Leben. Später stellte man eine Zottenreifungsstörung der Plazenta fest. Nichts was man vorher hätte erkennen oder ändern können.
Im Krankenhaus waren fast alle sehr einfühlsam. Man selbst ist ja völlig unvorbereitet. Aber wir wurden gut beraten und durften selbst über einiges entscheiden. Es wurden Fotos und Fußabdrücke und zwei Namensbänder gemacht. Eins konnten wir mitnehmen, mit dem anderen wurde er beerdigt. Wir durften ihn am nächsten Morgen erneut sehen und uns verabschieden. Gott sei Dank wussten die Hebammen, was sie tun. Ohne diese Erinnerungsstücke käme es einem doch ziemlich unwirklich vor. Eine Woche später haben wir ihn auf dem Grab meiner Großeltern beerdigt. Dort ist er gut behütet und wir haben einen Ort, an dem wir ihm immer nah sein können.
Ich habe dann monatelang jeden Tag geweint. Manchmal nur ein bisschen beim Aufstehen oder ins Bett gehen, manchmal immer wieder am Tag ganz bitterlich. Gott sei Dank konnte ich verschiedenen Leuten unsere Geschichte erzählen. Jedes Mal hat sich das Erlebte ein bisschen in mir gefestigt. Aber das wurde nach der ersten Zeit weniger. Was ich gar nicht gut ertragen konnte, war, dass von einigen gar keine Reaktion kam… kein Blick, keine Berührung. Aber man kann ihnen wohl keinen Vorwurf machen. Es ist ja auch kaum jemand auf diese Situation vorbereitet. Ich habe mich dann dazu entschlossen eine Danksagung zu gestalten, mit einem kleinen Spruch und den Fußabdrücken aus dem Krankenhaus. Für alle, die für uns da waren oder die sich in irgendeiner Form gemeldet haben. Zum einen fand ich es so schade, dass Menschen uns eine Karte in den Briefkasten geworfen haben, ich ihnen aber gar nicht mitteilen konnte, wie sehr uns das gefreut hat und wie gut das getan hat. Zum anderen wollte ich Aufmerksamkeit erzeugen. Ich wollte dafür sorgen, dass er nicht vergessen wird… dass es für uns noch lange nicht „vorbei“ ist.
Jetzt fragen leider immer weniger Leute. Manche scheinen es gar nicht zu merken, dass einige Situationen schwierig für mich sind, wie z.B. feiern gehen oder Geburtstag zu feiern. Dann freut man sich über jeden, der sich nach der aktuellen Gefühlslage erkundigt oder der sagt, dass er unserem Sohn einen Besuch auf dem Friedhof abgestattet hat.
Nachdem der erste Rückbildungskurs für verwaiste Mütter, zu dem ich mich angemeldet hatte, leider nicht stattgefunden hat, war ich beim nächsten Kurs bereits wieder schwanger. Ich dachte jetzt könnte ich daran vielleicht nicht mehr teilnehmen. Uli hat mich aber beruhigt, dass eigentlich immer schon wieder eine Frau schwanger war und mich motiviert trotzdem teilzunehmen. Gott sei Dank! Dort wird man einfach verstanden. Egal was die anderen erzählten, innerlich konnte ich dazu nur nicken und denken endlich spricht es mal jemand aus. „Du bist nicht alleine.“ Uli, DANKE dafür!
In der neuen Schwangerschaft rede ich uns beiden jeden Tag gut zu. Eigentlich bin ich sehr zuversichtlich, aber das Vertrauen muss noch aufgebaut werden. Bei jedem Ultraschall warte ich sehr gespannt auf den Herzschlag. Und die Befürchtung, dass dort eines Tages keiner mehr ist, ist noch lange nicht verschwunden.
Ich hoffe dass das Thema Fehl- und Totgeburt immer weniger zum Tabuthema wird. Ich würde jetzt viel offener damit umgehen. Manchmal denke ich, gut dass es für unsere Generation mittlerweile solche Angebote gibt. Wie müssen sich bloß die Generationen vor uns gefühlt haben? Darüber sprechen ist so wichtig und tut so gut. Ich würde mir wünschen, dass viel mehr Menschen offener damit umgehen können.